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Lucy Gray
    or Solitude

Oft I heard of Lucy Gray:
And, when I crossed the wild,
I chanced to see at break of day
The solitary child.

No mate, no comrade Lucy knew;
She dwelt on a wide moor,
– The sweetest thing that ever grew
Beside a human door!

You yet may spy the fawn at play,
The hare upon the green;
But the sweet face of Lucy Gray
Will never more be seen.

‘To-night will be a stormy night –
You to the town must go;
And take the lantern, Child, to light
Your mother through the snow.’

‘That, Father! will I gladly do:
’Tis scarcely afternoon –
The minster-clock has just struck two
And yonder is the moon!’

At this the Father raised his hook,
And snapped a faggot-band;
He plied his work; – and Lucy took
The lantern in her hand.

Not blither is the mountain roe:
With many a wanton stroke
Her feet disperse the powdery snow,
That rises up like smoke.

The storm came before its time:
She wandered up and down;
And many a hill did Lucy climb:
But never reached the town.

The wretched parents all that night
Went shouting far and wide;
But there was neither sound nor sight
To serve them for a guide.

At day-break on the hill they stood
That overlooked the moor;
And thence they saw the bridge of wood,
A furlong from their door.

They wept – and, turning homeward, cried,
‘In heaven we all shall meet’;
– When in the snow the mother spied
The print of Lucy’s feet.

Then downwards from the steep hill’s edge
They tracked the footmarks small;
And through the broken hawthorn hedge,
And by the long stone-wall;

And then an open field they crossed:
The marks were still the same;
They tracked them on, nor ever lost;
And to the bridge they came.

They followed from the snowy bank
Those footmarks, one by one,
Into the middle of the plank;
And further there were none!

– Yet some maintain that to this day
She is a living child;
That you may see sweet Lucy Gray
Upon the lonesome wild.

O’er rough and smooth she trips along,
And never looks behind;
And sings a solitary song
That whistles in the wind.

Lucy Gray
    oder die Einöde

Oft machte die Geschichte ihre Runde,
und als ich einmal übers Moor hinging,
begab es sich zur Morgendämmerstunde,
daß Lucy Gray ich sah, das einsam Kind.

Ja, Spielgefährten hatte Lucy keine,
sie wohnte draußen an dem weiten Moore,
so spielt’ das brave Kind für sich alleine
im Haus, im Hof und vor dem Gartentore.

Dort spielen heute noch der Rehe Kitz’,
und manchen Hasen kannst du dort erspähn,
doch Lucy Grays lebendiges Gesicht
hier wird es niemals einer wiedersehn.

Der Vater sagt: „Wenn mich nichts täuscht,
wird’s stürmen heute wohl zur Nacht,
nimm die Latern’, mein Kind, und leucht,
die Mutter kommt bald von der Stadt.”

„Das, Vater, brauchst nicht zweimal sagen,
es ist ja kaum erst Nachmittag,
vom Münster hat’s grad zwei geschlagen,
und schau, der Mond ist auch schon da.”

Der Vater nahm die Arbeit auf,
viel Besen er aus Reisig band,
und Lucy ging zur Stadt darauf,
hat die Laterne in der Hand.

So munter wie am Berg das Reh,
mit übermüt’gen Hüpfern auch,
stapft Lucy durch den Pulverschnee,
er wirbelt auf wie Rauch.

Der Sturm fiel ein noch vor der Zeit,
und Lucy wandert auf und ab,
auf manchen Hügel sie noch steigt:
Doch nie erreichte sie die Stadt.

Die Eltern in Verzweiflung liefen
und suchten durch die ganze Nacht,
wie oft sie auch nach Lucy riefen,
der Sturm hat Antwort nicht gebracht.

Im Morgengraun der Eltern Blicke
vom Berg aus schweiften übers Moor,
sie sahen auch die hölzern Brücke,
nicht weit entfernt von Haus und Tor.

Und weinend sie sich heimwärts wandten:
„Im Himmel wir uns wiedersehn!”,
als plötzlich sie vor Spuren standen
von kleinen Schuhn, die abwärts gehn.

Hinab ging es den steilen Hang,
die Spuren sich noch nicht verlorn,
an einer Feldsteinmauer lang,
durch den zerrißnen Hagedorn.

Dann sie ein offnes Feld durchquerten,
die Spuren immer noch die gleichen,
hin zu der Brücke sie sich kehrten,
auf Lucy weisen alle Zeichen:

Zum Ufer erst und dann zurück
die Stapfen all im Licht,
sie gingen bis zur Mitt’ der Brück’
und gingen weiter nicht!

Ja, manche sagen, nicht im Spaß,
daß Lucy Gray noch lebt,
man sehen kann, wie sie fürbaß
durch wilde Ödnis geht.

Sie trippelt dort, wo Heide blüht,
nie schaut zurück das Kind,
es singt sich so ein einsam Lied,
das pfeift mit ihr der Wind.

c. 1798/9, written at Goslar in Germany